Wer in Asien – zwischen Afghanistan und Java, zwischen Indien und Japan – in Tempeln, Klöstern und Museen, oder auch in unseren westlichen Museen, dem Bild Buddhas begegnet ist, mag bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck großer Gleichförmigkeit in der Darstellung des Erleuchteten gewonnen haben. Und es scheint, das viele Menschen ihre Vorstellung vom Buddha aus solchem Bildeindruck ableiten, als ob die Darstellungen ein Portrait vermittelten. Doch es ist nur die äußere Form, die übereinstimmt: der als Lehrer gelassene vor der Mönchsgemeinde stehende, der in Meditation im Lotussitz verweilende oder der ins Nirvana eingegangene, auf der rechten Seite liegende Buddha ist es, der unsere Vorstellung beherrscht.
Wir erinnern uns des fast allen Buddha Bildern gemeinsamen ushnîsha, des Schädelauswuchses, der als eines der 32 Kennzeichen des Buddha gilt, wohl aber ursprünglich nichts anderes war als ein Haarknoten, wie ihn die indischen Asketen tragen – in Gandhâra vielleicht der stilisierte Krobylos, eine hellenistische Modefrisur der Zeitenwende, eben jener Jahre, in denen Buddha ein halbes Jahrtausend nach seinem Erdenwandel zum ersten Mal bildlich dargestellt wurde. Die Urna, oft fälschlich als drittes Auge bezeichnet, in Wirklichkeit eine Haarlocke zwischen den Augenbrauen, ist ein weiteres Kennzeichen. Und wer die Gesten – die Mudrâs – zu unterscheiden weiß, fühlt sich fast schon als Kenner jenes grossen asiatischen Menschheitslehrers, der in den letzten Jahrzehnten viel an Land verloren, aber, soweit man sieht, in der ganzen Welt zahlreiche Anhänger gewonnen hat und noch gewinnt.
Obwohl die Legende von Schnitzwerken und Malereien wissen will, die zu Lebzeiten des Buddha als Porträts angefertigt worden sind, muss man auf Grund der Funde davon ausgehen, dass die ersten Buddha Bilder nicht vor dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert entstanden sind. Dann aber fast gleichzeitig an drei Stellen. In Gandhâra, wo persischer, hellenistischer und römischer Einfluss zusammentrafen, in Mathurâ, wo eine vielfältige, eigenständige Kunst seit Jahrhunderten zu Hause war, und in Südostasien, wo reges religiöses Interesse und der Austausch mit Ceylon befruchtend wirkten. Das war zur Zeit als sich der Buddhismus im Gefolge der Missionstätigkeit des Kaisers Ashôka über ganz Indien bis nach Afghanistan und bis nach Südostasien auszubreiten begann und die aus Zentralasien gekommenen Kushânas unter ihrem großen König Kanishka weite Teile dieses Gebietes beherrschten oder doch beeinflussten.
Wie viele andere Herrscher der Zeit mag dieser erfolgreiche Sohn eines aus den Wüsten Innerasiens nach Süden vorgestoßenen Volkes – wenn vielleicht auch nicht selbst Buddhist – die günstige Wirkung der Lehre des Erleuchteten auf die davon erfüllten Menschen erkannt und geschätzt haben. Freilich erklärt sich aus solcher Schätzung und der wohl daraus folgenden Verbreitung der Lehre des Buddha noch nicht seine bildliche Darstellung. Denn hätte man die buddhistische Lehre immer wörtlich genommen, gäbe es kein Bild des Buddha. Er selbst hat es nie gefordert. Und als er hochbetagt ins Nirvâna einging, bedeutete das für ihn das Ende der Wiedergeburten, damit auch der Wiederverkörperung – und sei es nur im Bild.
Die Mönche wie die buddhistischen Künstler der ersten Jahrhunderte nach Buddhas Tod scheinen darum gewusst zu haben. Denn auf allen Reliefs, die vom Leben des Buddha erzählen – es gab sie an den frühen Stupâs von Bârut und Sânchî – finden wir Buddha nur in Symbolen seiner Erleuchtung, das Rad der Lehre mit Gazellen für die erste Predigt, die Leiter als Zeichen seines Besuchs im Trâjastrimbsa-Himmel, dem Himmel der 33 Götter, wo er seiner verstorbenen Mutter die Lehre verkündet hat, und schließlich den Stûpa, jenen aus dem alten Steingrab – dem Tumulus – hervorgegangenen Reliquienschrein für das Nirvâna.
Und dann plötzlich gibt es ihn selbst: den Buddha – in zahllosen Reliefs, die seine Lebensgeschichte, genauer seine Lebenslegende, erzählen – den stehenden Cakravartin aus Mathurâ, mehr Weltenherrscher als Menschheitslehrer, den apolnischen Jüngling an den Stupâs von Gandhâra, stehend, in Meditation sitzend, lehrend, aber auch schon im vollen Fürstenschmuck des Bodhisattva. Das zeigt, wie sich nicht nur die Einstellung zum Buddha, sondern auch die Interpretation und Anwendung seiner Lehre gewandelt hatte. Aus der urbuddhistischen Weisheitslehre war in fünfhundert Jahren eine Religion geworden. Buddha wurde vergöttlicht.
Das heißt, die Bilderwelt des Buddha ist etwas anderes als die Geschichte des frühen Buddhismus. Der dargestellte Buddha ist ein anderer als der Lehrer des sechsten und fünften vorchristlichen Jahrhunderts. Er ist stillisiert, auch idealisiert, er ist ein beinahe göttliches Wesen voll überirdischer Kraft – auf vielen Bildern auch von überirdischer Schönheit. Als man anfing ihn darzustellen hatte man längst schon begonnen ihn anzubeten. Davon war zu seinen Lebzeiten und in den ersten Jahrhunderten des sangha – des Mönchsordens – keine Rede gewesen. Aber die Zeiten hatten sich geändert. Die religiösen Revalitäten waren härter geworden und es gab keinen Nachfolger Buddhas, der seine Größe, seine Autorität vor Mönchen und Laien gehabt hätte. Was lag näher, als der erwünschten Autorität ein Bild zu errichten?
Das geschah in Mathurâ, jener alten Stätte religiöser Aktivitäten, wo Yakshas und Yakshîs – hochverehrte Lokalgötter – neben Figuren des brahmânisch-hinduistischen Pantheons und der jungen, auch zu Buddhas Zeiten gegründeten Jainareligion unter den Händen hervorragener traditionsbewußter Bildhauer entstanden. Das erste Buddhabild in Mathurâ war – so sehen wir es heute – ein Stück buddhistischer Selbstbehauptung, ein Akt religiöser Propaganda in einer Welt vielseitiger, rivalisierender Erlösungsangebote.
Ganz anders in Gandhâra. Dort hatte der Buddhismus keine bedeutenden Rivalen. Aber das Volk wollte die Geschichte des großen Lehrers in verständlichen Bildern. Und Vorbilder gab es seit den griechisch-baktrischen Zeiten im Lande genug. Sicher verstanden sich die Urenkel der Bildhauer, die nach Alexander König- und Götterstatuen geschaffen hatten, noch gut auf den hellenistischen Stil. Kein Wunder, dass ihnen die ersten Buddhastatuen unversehens zu Apollobildern wurden. Doch man erkennt auch andere Einflüsse. Gab es doch kaum einen Gesichtsschnitt, kaum eine Tracht zwische Rom und Zentralasien, die auf den zahllosen Gandhârareliefs zur Lebensgeschichte des Buddha nicht zu finden wäre. Deshalb ist es auch ein müssiger Streit um den Ursprung der Gandhârakunst. Was heißt schon griechischer, römischer, persischer Einfluß, was indischer Stil, in einer Welt, die durch Jahrhunderte indische, persische, griechische, römische, zentralasiatische Beeinflussung erfahren hat, ohne dass eine dieser Richtungen für eine längere Zeit dominiert hätte, wie etwa der Hellenismus im Abendland.
So kommt es nicht von ungefähr, dass die anfangs getroffene Feststellung einer vermeintlichen weltweiten Ähnlichkeit des Buddhabildes nur sehr oberflächlich sein kann. Im Rahmen kanonisierter Darstellungsvorschriften, wie wir sie in alten buddhistischen Texten finden, haben die Künstler vielmehr ein äußerstes an Vielfalt und Originalität der Gestaltung des Buddhabildes erreicht. Die Bilder beweisen es. Sie erstrecken sich über einen Zeitraum von fast zweitausend Jahren, und tausende Kilometern liegen zwischen Ihren Entstehngsorten. Trotzdem ist Ihnen bei aller sichtbaren Verschiedenheit der Gestaltung eines gemeinsam: der erkennbare Wille des Künstlers, das Besondere, das Außerordentliche der Erscheinung des Gautama Buddha deutlich werden zu lassen, sei es im roten Sikri-Sandstein der Mathurâ-Bildnisse, im schwer zu bearbeitenden Schiefer Gandhâras, in dem schon früh beherrschten Bronzeguß Indiens, Nepals, Tibets oder schließlich in den reichen, ikonographischen oft kaum zu enträtselnden Malereien, von denen leider viel zu wenige erhalten geblieben sind.
Das Leben des Buddha ist genau so wie die Geschichte seiner bildlichen Darstellung in ein Gespinst von Legenden verwoben, aus dem sich nur schwer ein historischer Kern herausschälen läßt. Auch entspricht ein solches nüchternes Suchen nach Tatsachen nicht asiatischer Einstellung. Der Buddha selbst würde das, was abendländische Wissenschaft in mehr als hundert Jahren mühevoller Kleinarbeit zur Geschichte Buddhas und des Buddhismus erforscht hat, abgetan haben mit dem Hinweis, dass all diese Einzelheiten nichts als mâyâ – Schein, Täuschung – seien und es die Wirklichkeit, von der da die Rede ist, gar nicht gäbe. Diese Haltung des Buddha hat nicht nur das Verständnis seiner Lehre sehr erschwert, sondern auch eine realistischen Darstellung seines Lebensweges entgegengestanden. Alle Lebensgeschichten des Buddha, die im alten Asien je verfaßt worden sind – in Sanskrit, Pâli, Tibetisch – lesen sich wie Göttersagen oder Heiligenlegenden, die allerdings in einem seltsamen Gegensatz zur eher nüchternen Sprache des Buddha stehen, wie sie uns in der Überlieferung des Pâli-Kanon wohl ziemlich authentisch vorliegt. Das heißt, zwischen dem, was im Laufe der Jahre hunderte von Gläubigen über den Buddha berichtet worden ist, und dem, was strenge Mönche nach den eigenen Worten des Buddha in der Zeit des Urbuddhismus aufgezeichnet haben, besteht eine große Diskrepanz, für die es mehrere Gründe gibt.
Im Gegensatz zu anderen Religionstiftern, wie Christus oder Mohammed, hat sich der Buddha selbst nicht als einzelner Verkünder, weder als Gott noch als Prophet empfunden, sondern als einer in der langen Kette von Erleuchteten, von Menschheitslehrern, die im Laufe der endlosen Existenzen des Lebendigen geboren werden, um den irrenden Menschen den rechten Weg zu zeigen.
Der Buddha war also nicht mit dem Ziel aufgetreten, eine neue Religion zu verkünden. Er wollte nicht mehr aber auch nicht weniger, als der Menschheit die von ihm erkannten „Vier edlen Wahrheiten vom Leiden und seiner Überwindung“ vermitteln. Das war eine Botschaft an den Einzelnen, soweit er sich bereit fand, sie anzunehmen und ihre Wahrheit selbst zu erproben.
Dass Jünger und Nachfolger aus der agnostischen Buddhalehre ( Dharma ) – dieser sehr nüchternen, aber auch sehr schwer zu befolgenden Lebensanweisung – eine Weltreligion gemacht haben, hat für die Lehre selbst Vorteile aber auch viele Nachteile gebracht. Das Wort des Buddha wurde verändert, interpretiert, verwässert. Nur wenigen, die sich heute in Asien dazu bekennen, ist es in seiner reinen, unverfälschten Weise bekannt. Längst hat das Rankenwerk aus Geisterglauben, Dämonenfurcht, Göttervielfalt und menschlicher Lässigkeit den alten Kern überwuchert. Und wie schon zu Lebzeiten Buddhas sind es nicht viele, die seiner reinen Lehre folgen. Sie freilich brauchen das Bild nicht. Für sie ist Buddha der Gestaltlose, das Symbol einer Weisheitslehre, die allerdings, auch das ist zu bedenken, ohne die Bilder vielleicht längst vergessen wäre. Denn woran denken wir, wenn wir von Buddhismus sprechen? An die Worte des Buddha, die so eingängig und doch so schwer zu befolgen sind? Oder an das Bild des in Meditation Sitzenden, das uns schon vielfältig begegnet und unserer Vorstellungswelt eingeprägt ist?
Vielleicht wäre die Kunde von Buddha ohne diese Bilder, die im Laufe von zwei Jahrtausenden wie ein ständiger stummer Hinweis auf die Lehre entstanden sind, nie zu uns gedrungen. Vergessen wir nicht, dass noch Goethe, der große Freund und Verehrer Asiens, von Buddha offenbar nichts wußte. War doch die früheste, nach der islamischen Sperre zu uns gelangte Nachricht durch das 1762 in Rom veröffentlichte Werk „Alphabetum Tibetanum Missionum Apostolicarum Commodo Editum“ von Augustinus Antonius Georgius nach Europa gekommen. Es ist ein Buch über den tibetanischen Lamaismus, in dem neben Bildern des Buddha auch die schrecklichen Emanationen der Schutzgottheiten dargestellt waren, die dem europäischen Leser den Zugang zur ursprünglichen Lehre eher verstellten. So erscheint auch im 1787 veröffentlichten Dritten Teil von Herders „Ideen zu Geschichte des Menscheit“ der Name „Buddha oder Fo“ nur im Zusammenhang mit anderen Götternamen bei der Behandlung Tibets, die sich auf Georgius – „Ein Buch voll wüster Gelehrsamkeit“ stützt.
Friedrich Schlegel spricht in seiner Schrift „Über die Sprache und Weisheit der Inder“ nur beiläufig von der „Lehre der Buddhisten, welche etwa tausend Jahre nach Ihrem Ursprung, um die Zeit Christi, in Tibet und China eingeführt ward“. Und noch Hegel schreibt im zweiten Band seiner „Philosophie der Weltgeschichte“ von Buddha nur im Zusammenhang mit den Wiedergeburten des Dalai Lama: „Dieser Glaube, dass ein gegenwärtiger, lebendiger Mensch Sitz der Gottheit ist, hängt mit der Religion des Buddha zusammen.“
Und später: „Ob die Religion des Fo, die ebenfalls weit verbreitet ist, mit dem Buddhismus identisch sei, ist noch zweifelhaft.“ Hier sieht man, dass die verschiedenartigen Ausformungen des späteren Buddhismus bei Hegel noch 1822 – dem Jahr seiner ersten Vorlesung zur „Philosophie der Weltgeschichte“ – Zweifel erweckten, ob die Lehre Buddhas, wie sie etwa auf Ceylon gelehrt wird, mit dem Lamaismus Tibets oder dem chinesischen Buddhismus zu vergleichen sei. Hegels Zweifel waren, wie die Erforschung der verschiedenartigen Entwicklung des Buddhismus im Süden und im Norden zeigt, nicht unberechtigt. Immerhin hat er in einem späteren Anhang zu seinen Vorlesungen 1823 als Erster über den Buddhismus, wie er sich ihm damals auf Grund weniger Informationen darstellte, geschrieben und dabei auch die bildlichen Darstellungen des Buddha erwähnt.
Von nun an teilt sich die Beschäftigung mit Buddha in den Kreis jener, die ihn, wie Schopenhauer, zum Anreger eigener Gedanken werden lassen und jener, die sich der Erforschung seines Lebens und seiner Lehre auf Grund der Quellen zuwenden.
Zwei von ihnen waren Zeitgenossen Hegels: Brian Houghton Hodgson – seit 1821 britischer Resident am nepalesischen Hof in Kathmandu und Georg Turnour – seit 1818 Beamter des britischen Civil Service auf Ceylon. Beiden kommt der Verdienst zu, der Wissenschaft wichtige buddhistische Texte zugänglich gemacht zu haben. Doch dauert es noch über ein halbes Jahrhundert, bis Rhys Davids mit der von ihm gegründeten und geleiteten Pâli-Text-Society die Voraussetzungen für die planmäßige Erschließung des Schrifttums des südlichen Buddhismus und damit für die gesamte Buddhaforschung schuf. Die Ergebnisse sind in hunderten von Bänden Übersetzungen, Kommentaren, Interpretationen und Darstellungen erschienen, und alljährlich erscheinen weitere Werke zum Thema Buddha und Buddhismus.
Aus der Lehre des Einzelnen für Einzelne ist eine Weltreligion geworden, die längst ihre natürlichen Grenzen in Asien überschritten und gerade in den letzen Jahrzehnten in Europa und Amerika nicht mehr nur ein wissenschaftliches Interesse findet, sondern auch immer mehr Menschen zur Nachfolge bewegt. Und das trotz unterschiedlicher Tendenzen bei der Interpretation der Lehre, die sich nicht allein auf Grund des Pâli-Kanin – der Lehrreden des Buddha – ausbreitet, sondern auch vom Lamaismus sowie von japanischen Sekten her – wie dem Amida-Buddhismus und dem Zen – Menschen bei uns beeinflusst.
Dabei ist das, was exakte wissenschaftliche Forschung in mühsamer Kleinarbeit als das Leben Buddhas dargelegt hat, gemessen am Reichtum der Jâtakas, der Erzählungen aus den früheren Existenzen Buddhas oder der Nidânakathâ, der ältesten zusammenhängenden Lebensbeschreibung des Buddha im südlichen Buddhismus, die etwa im 5. nachchristlichen Jahrhundert entstanden ist, geradezu ärmlich und ohne jede Sensation.
War es auch selbstverständlich, die wunderbare Empfängnis des Buddha aus der Hüfte der Königin Mâyâ ins Reich der Legende zu verweisen, so blieben doch noch immer die königliche Herkunft, der Palast mit den Gespielinnen, die Prophezeiung, dass ein Cakravartin – ein Weltenherrscher – oder ein Buddha – ein Erleuchteter – geboren worden sei.
Heute stellen wir nüchtern fest, dass Siddhârta Gautama, der spätere Buddha, Sohn einer Khatawa-Familie aus dem nordindischen Stamm der Shakya war – ein Bauernsohn aus der Kriegerkaste, dessen Vater zur Zeit der Geburt Siddhârtas gewähltes Oberhaupt – raja – des Stammes war. Das enthob den Vater jedoch nicht seiner bäuerlichen Pflichten. So lesen wir in den alten Texten, dass Buddha die Feldarbeit seines Vaters erwähnt. Spätere Kommentatoren machten daraus das königliche Pflügen beim buddhistischen Neujahrsfest, bei dem der König im Frühjahr zeremoniell die erste Furche zu ziehen hatte – ein ritueller Brauch, der bis in die jüngste Zeit in Kambodscha, Laos und Thailand geübt wird und im Hindukusch und Karakorum – zum Beispiel in Hunza – selbst die Islamisierung überstanden hat.
Mit 16 Jahren heiratete Siddhârta das Mädchen Yasodharâ, die Tochter eines Bruders seiner kurz nach der Geburt verstorbenen Mutter Mâjâ. Als Siddhârta 29 Jahre alt war, wurde ihm ein Sohn geboren: Râhula. Wahrscheinlich war diese Geburt eines Nachkommen die Voraussetzung, dass Siddhârta seinem längst gehegten Wunsch folgen und in die Hauslosigkeit gehen konnte. Er selbst spricht später vor seinen Mönchen vom Abschied von den „weinenden Eltern“. Kein Wort vom heimlichen Auszug hoch zu Roß. Es wird ein Aufbruch gewesen sein, wie er damals üblich war, wenn sich jemand mehr den transzendalen Problemen als dem harten Alltag zugewandt fühlte.
Siddhârta war kein Einzelner auf den Straßen des alten Indien. Pilger, Asketen, Heilige gab es in großen Scharen. Das Land war, betrachtet man seine Geschichte, im geistigen Aufbruch. Längst war die große Zeit der Brahmânen – die Zeit der rituellen Opfer – zu Ende. Die Brahmânen dachten jetzt nur noch daran, ihr Amt zur ergiebigen Pfründe zu machen. Die Opferhandlungen waren zum Selbstzweck – das Ritual zur Farce geworden. Das erkannte die Jugend, und sie empörte sich darüber.
So entstanden zwei Richtungen: die philosophische der späten Upanishaden und die religiöse der Asketen und der neuen Sekten, zu denen neben der des Buddha auch die etwa gleichzeitige, von Mahâvira begründete des Jainismus – der nackten Heiligen – zählt.
Buddha war lange ein Suchender, bevor er zum Erwachten wurde. Die Beispiele seiner späteren Darstellungen als abgemagerter Asket sind – besonders in der Gandhârakunst – sehr zahlreich. Und als er die Askese aufgab, verließen ihn seine ersten fünf Jünger. So blieb sein Wanderleben nicht ohne Enttäuschungen. Doch in ihm war nicht nur der Geist eines Suchenden, sondern auch der Verstand eines Philosophen. Der führte ihn auf den Weg der Versenkung, der Meditation, zur Erkenntnis der „Vier Edlen Wahrheiten“ und damit zur Grundlage seiner Lehre.
Die „Vier Edlen Wahrheiten“ sind nach Buddhas eigenen Worten „ Die Edle Wahrheit vom Leiden“, „Die Edle Wahrheit von der Leidensentstehung“, „Die Edle Wahrheit von der Leidenserlöschung“ und „Die Edle Wahrheit vom rechten Pfad, der zur Leidenserlöschung führt“.
Darin drückt sich Buddhas Grundverhältnis zum Leben aus, das er mit Leiden gleichsetzt. Der einzige Lebenssinn aber liegt für ihn in der Leidensüberwindung, das aber heißt letzten Endes in der Lebensüberwindung – im Nirvâna – durch das der ewige Kreislauf der Wiedergeburten – eine Lehre, die Buddha aus altindischen Religionen übernommen hat – beendet wird.
Den Weg, der zur Leidensüberwindung und damit ins Nirvâna führt, nennt Buddha den achtfachen Pfad. Er besteht aus der rechten Erkenntnis, der rechten Gesinnung, der rechten Rede, dem rechten Tun, dem rechten Lebensunterhalt, der rechten Anstrengung, der rechten Achtsamkeit und der rechten Sammlung. Die vielen vom Buddha überlieferten Reden sind nichts anderes als in endlosen Wiederholungen und Varianten gegebenen Beispiele und Nutzanwendungen dieser Lehre von den „Vier Edlen Wahrheiten“ und vom achtfachen mittleren Pfad, den er deshalb den mittleren nennt, weil er zwischen Wohlleben und Askese, zwischen Ausschweifung und völligem Verzicht zur klaren Erkenntnis der menschlichen Grundsituation und damit zur Überwindung der Leiden führt.
Von einer solchen Betrachtung der etwas 45jährigen Lehr- und Wandertätigkeit des Buddah ausgehend, kam der aus Deutschland stammende ceylonische Mönch Nyânatiloka Anfang unseres Jahrhunderts zu folgender kurzer und wie es scheint äußerst treffender Charakterisierung des Buddha: „ Der Buddha ist weder ein Gott noch ein Gottes Prophet oder Inkarnation. Er ist jenes höchste menschliche Wesen, das, durch sich selbst belehrt, aus eigener Anstrengung die endgültige Erlösung vom Leiden und höchste Weisheit gewann und zum unvergleichlichen Menschheitslehrer und großen Vorbild wurde.
Er wurde zum Erlöser nur für diejenigen, die den von ihm gegangenen und gewiesenen Erlösungsweg selber bis zum Ende gehen. In der vollkommenen Harmonie seiner Weisheit und Allgüte verkörperrt der Buddha das universelle und für alle Zeiten gültige Ideal des vollkommenen Menschen“.
Ende